In einem meiner letzen Teamentwicklungsworkshops ergab sich folgende spannende Szenerie: Das relativ neu installierte ScrumTeam, bestehend aus sechs Entwicklern plus Product Ownerin und ScrumMaster, hatte die Aufgabe, selbstorganisiert eine neue Zuordnung in der Belegung neuer Räumlichkeiten zu diskutieren und zu entscheiden. Die selbst gewählte Zeitvorgabe war zwanzig Minuten. Als Teamentwickler beobachtete ich den Prozess von außen, mit dem Auftrag, ggf. zu intervenieren und Feedback zu geben. Das Team kommunizierte sehr sachlich und intensiv, in einer konstruktiven dialogischen Kommunikationsform. Mehrere Varianten wurden vorgeschlagen und Argument dafür und dagegen ausgetauscht. Die Zeit verstrich, ohne dass eine Entscheidung thematisiert, geschweige denn getroffen wurde. Aus meiner externen Perspektive stand einer “schnellen” Entscheidung eigentlich nichts im Wege, außer der Unsicherheit und Unentschlossenheit des Teams.
Nach den vereinbarten 20 Minuten intervenierte ich vorsichtig und fragte nach, was denn im Moment los sei. Zuerst unsicheres Schweigen und dann Erstaunen darüber, dass die 20 Minuten inzwischen schon vorüber waren. Auf meine nächste Frage, was denn nun weiterhelfen könnte, kam spontan die Antwort jemand sollte doch mal an das Flipchart gehen und visualisieren. Nach kurzer Bedenkzeit stand ein Teammitglied auf (nicht der ScrumMaster) und kam aus der Runde nach vorne. Er zeichnete als erstes die räumliche Situation auf, steuerte spontan den neuen Dialog, fasste zusammen und fokussierte innerhalb von zehn Minuten eine Entscheidung im Konsens, mit der alle sehr zufrieden waren.
Wäre das evtl. auch schneller gegangen und was wäre passiert, wenn das Team statt in einen konstruktiven Dialog in eine hitzige Debatte geraten wäre?
Selbstorganisation braucht klare Strukturen, wie z.B. Rahmenbedingungen, Ziele, Regeln, definierte Prozesse und eben auch transparente Rollen und Funktionen, um optimal zu funktionieren. Häufig “wählen“ sich daher Gruppen und Teams informell Moderatoren, spontan und nicht abgesprochen, aus den Anforderungen des Themas oder des Prozesses heraus. Entweder wird ein Teammitglied spontan initiativ und übernimmt von sich aus die Rolle, oder andere schlagen einen Kollegen vor. Dies kann sehr gut funktionieren, wenn das Team den jeweiligen Moderator akzeptiert und Erfahrung und Kompetenzen in der Gestaltung von Dialogen in Meetings und Workshops hat. Weniger optimal funktionieren wechselnde Moderatoren innerhalb eines längeren Prozesses. Hier gestaltet sich die Rolle nach meinen Erfahrungen häufig diffus und die Moderatoren können weniger gezielt und strukturiert auf den Ablauf einwirken.
Am funktionalsten ist es zweifellos, den Moderator im Vorfeld eines Meetings oder eines Workshops zu definieren und damit “formal” zu legitimieren. So kann eindeutig vereinbart werden, mit welchen Kompetenzen er ausgestattet ist und wie er seine Rolle ausgestalten soll und möchte. Dabei ist die Rolle Moderator ein genuiner Teil der Selbstorganisation des Teams und nicht wie häufig angenommen ein Außenstehender. Als Systemzugehöriger kann er nun als Moderator legitimiert steuern und intervenieren. Die Anforderungen an die Funktion Moderator sind in der Regel hoch und erfordern ein differenziertes Kompetenzprofil. Er soll und kann Ziele und Ergebnisse fokussieren, situativ führen und intervenieren, emphatisch auf das Team eingehen, kommunizieren, visualisieren und motivieren usw. Siehe Rollenprofil auf der Abbildung.
Je klarer die Rolle definiert und committet ist, desto effizienter kann der Moderator Selbstorganisationsprozesse unterstützen, seiner Funktion gerecht werden und sein methodisches und soziales Know-how einbringen.
Mein Appell:
Teams, würdigt eure Moderatoren, gebt ihnen die notwendige Legitimation und respektiert ihre Funktion und ihre Fähigkeiten zum Nutzen für alle.
Moderatoren, vertretet selbstbewusst eure wichtige Rolle und Dienstleistung für die selbstorgansierte Teamarbeit und übernehmt Verantwortung für das Gelingen von Meetings welcher Art auch immer.
TIPP: Meetings moderieren und zum Erfolg führen – lernen, wie es geht beim ScrumMaster Pro Training MeetingFacilitation mit Dieter Rösner.
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Eine Antwort zu “Der Moderator, eine oft unterschätze Rolle in selbstorganisierten Prozessen”
Dieter, Deinem Appell kann ich nur zustimmen. Ich erlebe fast täglich wie wichtig und entscheidend die Moderation ist und wie häufig doch auch (und evtl. gerade) in Management-Kreisen die Moderation vernachlässigt wird.
Mit Hilfe Deines Trainings – Meeting Facilitation – haben wir wirklich die Werkzeuge an die Hand bekommen, Moderationen zu übernehmen – einhergehend mit dem Mut die Moderation auch durchzusetzen.
Was den Respekt der Teams betrifft – da vertraue ich darauf, dass sich Qualität durchsetzt. Sehr häufig kommt nach einer gut gelaufenen Moderation das dankende Feedback, dass wirklich Ergebnisse erarbeitet wurden und dabei die Struktur sehr geholfen hat.
Entscheidend für mich … Grundlagen der Moderation lernen und dann Anwenden, Anwenden, Anwenden und immer wieder Inspizieren und Adaptieren.