ModernRE 2017 – Interview mit Boris Gloger über agiles Requirements Engineering

 
Im Zuge der ModernRE 2017 kam Gerhard Versteegen, Geschäftsführer von HLMC Events GmbH auf mich zu und hat mich gebeten ein paar Fragen zum agilen Requirements Engineering zu beantworten:
 

1. Worin unterscheidet sich agiles Requirements Engineering maßgeblich von klassischen Requirements Engineering ?

Es geht im Grunde um einen Paradigmenwechsel. Das agile Requirements Engineering fragt nicht, was der Kunde möchte, sondern was er tatsächlich braucht und welche Bedürfnisse noch gestillt werden müssen.

2. Was sind die wesentlichen Vorteile von agilem Requirements Engineering deiner Meinung nach?

Der Kunde muss sich nicht mit Fragen beschäftigen, die er in der Regel sowieso nicht beantworten kann. Die Verantwortung für das Erheben der Anforderungen liegt beim Fragenden, der nach Problemen nicht nach Anforderungen fragt.

3. Welche Erhebungstechniken sind aus deiner Sicht die erfolgreichsten?

Eine derzeit sehr beliebte Technik ist das Design Thinking. Hier wird systematisch versucht herauszufinden, was der Kunde wirklich braucht. Erwähnenswert sind zudem das Prototyping  – diese Methode zeigt dem Kunden sofort, was er bekommen könnte – sowie das ausführliche Erfragen von Problemen der Fokusgruppen.

4. Wo macht es Sinn, dass agile und klassische Ansätze miteinander vermischt werden?

Ich bin kein Freund von Hybridansätzen. Aber sicher können in einem klassischen Ablaufmodell Elemente von agilen Verfahren genutzt werden. Wie weit Sie damit kommen, ist eine andere Frage. Am Ende ist aber dennoch eine vollständige Umstrukturierung zumeist zielführend.

5. Gibt es Projekte, wo du sagen würden, dass agiles Requirements Engineering nicht erfolgreich wäre?

Natürlich gibt es zu Beginn und während eines Projektes auch Einschränkungen, man sollte aber im Laufe der Entwicklungen den Fokus nicht verlieren. Nachdem ich gesehen habe, dass man – wie es TriAlpha bereits umsetzt – einen Fusionsreaktor agil entwickeln kann, gibt es für mich keinen Grund zu sagen, dass agiles Requirements Engineering irgendwo nicht erfolgreich wäre.

6. Ist der Product Owner typischer Weise der Nachfolger des klassischen Anforderungsmanagers?

Leider wird das oft so gesehen, doch es ist grundlegend falsch. Die Anforderungen werden nicht vom Product Owner erhoben, sondern vom Entwicklungsteam selbst.

7. Mit welchen Tools hast du im agilem Requirements Engineering bisher gute Erfahrungen gesammelt?

Ganz klar: Design Thinking, User Storys, User Story Mapping und Prototypen.

8. Wo siehst du die größten Barrieren in Unternehmen, die einen Einsatz von agilem Requirements Engineering verhindern?

Das sind auf der einen Seite die Requirements Engineers und Business Analysts – sie müssen umlernen, sich neue Skills aneignen und zu Designern werden, statt weiterhin Anforderungsdokumente zu schreiben – und auf der anderen Seite sind es die Regulierungsbehörden. Wenn in diesen Instituten verstanden würde, wie agile Vorgehensweisen dabei unterstützen, die Standards der unterschiedlichen Industrien besser einzuhalten, als mit traditionellen Methoden, könnte ein regelrechter Produktivitätsschub durch die deutsche Wirtschaft gehen.
 

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Boris Gloger Boris Gloger Boris Gloger zählt als erster Certified Scrum Trainer weltweit zu den Scrum-Pionieren und ist ein Vordenker für neue Arbeitsformen. Er glaubt nicht nur an Scrum, weil es bessere Produkte in kürzerer Zeit hervorbringt, sondern auch, weil es den Arbeitsplatz in einen humaneren Ort verwandeln kann. Boris ist Unternehmensberater, Autor, Serial Entrepreneur und Keynote Speaker und zählt weltweit zu den Pionieren von Scrum und Agilität. Für ihn war „Agile“ immer mehr als reine Methodik: Als einer der Ersten hat er erkannt, dass in agilen Denk- und Arbeitsweisen die Kraft steckt, Organisationen von Grund auf neu auszurichten und dadurch fit für das 21. Jahrhundert zu machen. An seinen Ideen zu einem modernen, agilen Management orientieren sich heute viele nationale und internationale Unternehmen. Als Vater zweier Kinder hat Boris ein starkes Bedürfnis, in der Gesellschaft etwas positiv zu verändern. Deshalb engagiert er sich u. a. für eine radikale Umkehr des derzeitigen Bildungssystems, wie etwa mit dem erfolgreichen Pilotprojekt Scrum4Schools. Er ist fest davon überzeugt, dass Selbstorganisation und das Prinzip der Freiwilligkeit die besten Wege sind, um Ziele zu erreichen und ein eigenständiges Leben zu führen.

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