Neues Arbeiten: Weniger Theater, mehr arbeiten

Mit der Agilität kommt das neue Arbeiten, das ist es zumindest, was ich ständig höre. Aber gibt es das neue Arbeiten überhaupt? Oder ist es nur viel Lärm um nichts – ein gutes Theaterstück mit mittelmäßigen Schauspielern?

Bei diesem Xing Puls Event im Juni ging es um die Frage, ob New Work mehr Schein als Sein sei. Ich war eingeladen, einen Impuls zu liefern. Mein Schluss war: In meiner Beobachtung ist das sogenannte New Work aktuell mehr Schein als Sein, weil die derzeitigen Strukturen in Unternehmen tendenziell verhindern, dass Menschen sich verwirklichen können. Menschen sind immer noch zu sehr Regelbefolger und müssen das, was sie „wirklich wirklich wollen“, um in den Worten des „Vaters“ von New Work, Frithjof Bergmann, zu sprechen, hintenanstellen.

Im Rahmen dieses Events hat ein Impulsgeber im Rahmen seines Vortrags ein scheinbar positives Beispiel für New Work genannt. Ein Top-Manager eines Unternehmens wusste nicht mehr so genau, was in seinem Unternehmen vor sich ging. Er wollte näher am Geschehen und den Menschen sein. Was hat er gemacht? Er hat Menschen im Unternehmen in sein Büro eingeladen, damit sie ihm von ihrer Arbeit berichten.

Was ich beobachte: ein Kammerspiel

Der Manager spielt Theater. Menschen denken: „Oh, ich darf zum König und über meine Arbeit erzählen.“ Dabei hält der Manager diese Menschen von der Arbeit ab. Er schafft mit der Gesprächssituation in seinem Büro einen künstlichen Raum, aus dem er gar nicht beobachten kann, was im Unternehmen wirklich vor sich geht. Das Erzählte wird aus dem Kontext herausgerissen. Geht es ihm wirklich darum, mehr über die Arbeit der Menschen zu erfahren, ihre Arbeitsprozesse zu verbessern oder will er sich nur selbst in Szene setzen?

Was ich gerne beobachten würde: echte Recherchearbeit

Wenn Managerinnen und Manager wirklich wissen wollen, wie Menschen arbeiten, sollten sie ihr Büro verlassen und sie dort beobachten, wo sie arbeiten. Ich würde gerne sehen, dass Managerinnen und Manager häufig ihren Platz wechseln, um von vielen Menschen im Unternehmen wahrgenommen zu werden und sich damit für Kommunikation anzubieten.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich gönne den Menschen ihre Einzelbüros oder ihre Vorstandsetagen. Nur sollten sie sich dann nicht wundern, dass sie wenig bis gar nichts vom Geschehen im Unternehmen mitbekommen. Wenn ich etwas wissen möchte, sollte ich nicht andere Menschen einspannen und von der Arbeit abhalten. Dann muss ich auf die Pirsch gehen, im wahrsten Sinne des Wortes. Was ich schon beobachtet habe und was auch nicht viel hilft, ist, wenn Manager ihren Besuch hochoffiziell ankündigen. Was passiert dann? Der Besuch wird im Bereich geplant. Teams müssen sich überlegen, was sie wie berichten wollen. Menschen werden abgestellt, diesen Besuch zu organisieren. Was bleibt liegen? Richtig, die eigentliche Arbeit. Das habe ich alles schon erlebt. Und zu guter Letzt wird dieser Besuch dann auch noch im Intranet mit einem Beitrag thematisiert. Dann können diese Managerinnen und Manager die Menschen auch gleich zu sich ins Büro bestellen. Das macht keinen großen Unterschied.

Ich stelle mir einen Trainer im Sport vor, der die Leistung seiner Mannschaft einschätzen möchte. Würde er zur Befriedigung seines Anliegens ein Testspiel anberaumen, um seine Wissbegier zu stillen? Wohl kaum. Er würde wohl auch nicht einzelne Spieler zu sich zitieren. Er würde die Ligaspiele oder das Training nutzen, dort beobachten und seine Schlüsse ziehen.

Meine Bitte: Entmystifizieren wir das neue Arbeiten

Viel zu oft beobachte ich, dass seitens des Managements versucht wird, Nähe zu Menschen an der Basis zu etablieren und dass das auch noch mit New Work verbunden wird. Das geht in meinen Augen komplett am Thema vorbei. Es werden Initiativen durchgeführt, die Menschen vom wirklichen Arbeiten abhalten und stattdessen die Hierarchie noch untermauern.

Menschen fühlen sich dann in ihrem Wirken wertgeschätzt, wenn ihnen echtes Interesse entgegengebracht wird.

Ich fühle mich beispielsweise nicht wertgeschätzt, wenn ich in meiner Arbeit gestört werde und man mir ungefragt Zeit klaut. Deshalb meine Bitte. Lassen Sie uns Initiativen rund um New Work entmystifizieren. Lassen Sie uns die richtigen, aber auch banal daherkommenden Inhalte, die wir mit New Work verbinden, wie beispielsweise, dass Menschen sich im Kontext Arbeit verwirklichen und entwickeln sowie das tun sollten, was sie lieben und damit Wert generieren, endlich umsetzen und weniger Theater spielen.

Ich finde Strukturen in Unternehmen vor, die Menschen in eine zu große Abhängigkeit treiben. Denn, wenn sie ihren Job verlieren, verdienen sie kein Geld mehr und begeben sich damit in ein Existenzrisiko. Die Basis für neues Arbeiten ist in meinen Augen, dass es für Menschen möglich sein muss, „dazuzugehören“ in und zu ihrem Unternehmen. Mehr dazu finden Sie in meinem Foliensatz.

Tauschen wir uns aus!

Was sind Ihre Gedanken zu New Work? Ich freue mich über Ihr Feedback hier und auf Social Media.

Bild: Unsplash License, Kyle Head

Geschrieben von

Conny Dethloff Conny Dethloff

Conny Dethloff ist agiler Berater und Organisationsentwickler und liebt es, mit Menschen gemeinsam Probleme zu verstehen und zu lösen. Am liebsten baut er mit ihnen Strukturen von Unternehmen so um, dass Menschen in ihnen sein können und wollen und die Unternehmen ihrer eigentlichen Aufgabe nachgehen können: Wert für die Gesellschaft generieren. Wirtschaft ist in seinen Augen für die Menschen da. In über 20 Jahren sammelte er Branchenerfahrung in Automotive, Handel, Electronics und Banking. An Agilität fasziniert ihn die Möglichkeit, Win-Win-Win-Situationen zu gestalten: für die Menschen, die sich einbringen können, für die Unternehmen, die Wert für Gesellschaft und Markt generieren und für die Kund:innen, die ins Zentrum rücken.

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