Wie Autobauer technologisch anschlussfähig bleiben

Der Umschwung, der sich in der Automobilindustrie abzeichnet, ist inzwischen nicht mehr wegzudiskutieren. Was jedoch noch immer nicht klar ist: Wie soll sich ein betroffenes oder sogar diesen Umschwung anführendes Unternehmen aufstellen, um diesem Wandel entgegenzutreten?

Veränderungen in der Automobilindustrie

Die Automobilindustrie wird aktuell von einem massiven technologischen Wandel erfasst, vor allem beim Antrieb. Wie verhalten sich die Autobauer? Wer eine technologieoffene Strategie fährt, braucht Flexibilität, die durch das Bereithalten verschiedener Ressourcen geschaffen wird und mit hohen Kosten verbunden ist. Daher erscheint es für manchen Autobauer sinnvoll, statt der Flexibilität die Ausrichtung auf nur eine Technologie zu forcieren. Diese scheinbar günstigere Lösung birgt hohe Risiken.

Das autonome Fahren stellt die Autobauer vor eine neuartige Herausforderung, nicht nur im technologischen, sondern auch im gesetzlichen Sinne. Daimler hat als erster Autobauer weltweit die Level-3-Zertifizierung erhalten und ist dem vollautonomen Fahren (Level 5) einen großen Schritt näher gekommen. Der Erhalt des Zertifikats war nur durch das Einhalten technischer Anforderungen möglich. Vollständiges autonomes Fahren ist außerdem abhängig von der gegebenen Infrastruktur und der Interaktion zwischen autonom fahrenden Fahrzeugen verschiedener Hersteller.

Neben den Hardware-Herausforderungen kämpft die Automobilindustrie mit der Software. Fehlendes Know-how und Fachpersonal, jahrelang vernachlässigte Investitionen und Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferern erschweren es den deutschen Automobilherstellern, funktionierende und schlagfertige Betriebssysteme schnell zu entwickeln und sich auf diese Weise am Markt zu differenzieren.

Doch nicht nur bei der Ausstattung setzt man zunehmend auf digitale Produkte, sondern auch in der Produktion. Die Automobilindustrie nimmt im Bereich der digitalen Fabrik eine Vorreiterrolle ein. Das Ziel ist, ein digitales Abbild der Fabrik zu Planungszwecken zu erschaffen und so beispielsweise  „Predictive Maintenance“ zu ermöglichen: So sollen Ausfälle vermieden werden, indem vorhandene Daten zur Betriebs- und Nutzungsdauer einzelner Komponenten und Verschleißteile genutzt werden, um diese Teile vor dem errechneten Ausfall auszutauschen.

Die agile Organisation als technologischer Enabler

Organisationen, die im Mindesten anschluss- und reaktionsfähig, im besten Falle Gestalter und Lenker technologischer Trends sein wollen, brauchen die Fähigkeit, ihre Handlungen im Inneren ganz auf das Außen auszurichten: auf den Markt. Dabei helfen ihnen diese 3 Erfolgsfaktoren der agilen Organisation:

1. Product Ownership

Der Product Owner stellt sicher, dass der Markt bzw. Kunde in der eigenen Produktentwicklung Einfluss findet. Zu diesem Zweck schafft und kommuniziert sie oder er zu Beginn eine Produktvision. So ist die Richtung von Anfang an klar. Dadurch, dass es die Aufgabe des Product Owners ist, den Wert des Produkts zu maximieren, ist er oder sie dazu gezwungen, den Markt zu kennen und diese Kenntnisse in die Produktentwicklung zu tragen. Dafür wird regelmäßig Feedback von Usern eingeholt, um sowohl Funktionalitäten als auch den Nutzen einer neuen Technologie zu bewerten. Oft erleben wir in unserer Beratungspraxis, dass Product Owner ihren Markt gut kennen und auch neues Wissen in die Teams tragen wollen, es jedoch an systemischen Voraussetzungen fehlt, das entsprechend zu nutzen. Beispielsweise liegt die Entscheidungsmacht, dieses Wissen anzuwenden, oft nicht bei den Product Ownern, weil Entscheidungen nicht von bestimmten (involvierten) Menschen getroffen werden, sondern undurchsichtige und nicht passende Prozesse durchlaufen.

2. Kompetente Teams

Nehmen wir an, der Product Owner macht seinen Job richtig und gut und so sind alle Anforderungen des Marktes bekannt. Nun ist es an den Entwicklungsteams, diese Anforderungen wahr werden zu lassen. Das gelingt nur jenen, die die entsprechenden Fähigkeiten besitzen. Die Grundlage dazu ist, dass das Team crossfunktional aufgestellt ist, sodass das Team das Produkt oder eine Produktfunktion ganzheitlich entwickeln kann. Das bedeutet: Jede:r sollte auch einfache Aufgaben anderer Teammitglieder erledigen können, wodurch das Team wirklich zusammenarbeiten kann und schlagkräftig ist.

3. Stetige Weiterentwicklung verankern

Damit eine Organisation wandelbar und flexibel ist, wird die Organisationsstruktur darauf ausgelegt, die Zusammenarbeit in und zwischen den Teams kontinuierlich zu verbessern. Dafür wird ein passendes Framework gewählt oder ein angepasstes Modell erarbeitet, um die Eigenheiten des Unternehmens zu berücksichtigen. Dieses Modell wird gemeinschaftlich (unter Begleitung und Führung durch die Agile Coaches des Unternehmens) aufgesetzt, überprüft und weiterentwickelt, um neue Erkenntnisse und Verbesserungen stetig einfließen zu lassen. Um entstehende Potentiale zu verwirklichen und in der gesamten Unternehmung zu implementieren, wird die agile Transformation der Organisation maßgeblich durch die Rückmeldungen und Erkenntnisse aus den Teams beeinflusst.

Vom Enabler zum Innovator

Der eigentliche Sinn von Agilität ist, Organisationen zu befähigen, sich schnell an die Bedingungen des Marktes anzupassen und blinde Flecken zu vermeiden, um ergebnisoffen und richtig zu reagieren. Dabei kann es einem Autobauer bereits helfen, die eigene technische, wirtschaftliche und marktbezogene Sicht regelmäßig zu überprüfen. Auf diesem Weg können Entscheider:innen die Ziele für die Organisation definieren und dadurch situationsgerecht reagieren. Wenn sich außerdem System-Ingenieur:innen, Projektleiter:innen und Marketing-Verantwortliche regelmäßig an einen Tisch setzen, wirkt Agilität nicht nur als Enabler von Innovation, sondern auch als Treiber.

Was meinen Sie?

Der Drang, innovative Funktionalitäten bereitzustellen, fördert die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen. Wenn Sie selbst für ein Automobilunternehmen tätig sind: Wie sieht es in Ihrer Produktentwicklung aus? Prüfen Sie von Zeit zu Zeit kritisch, was auf dem Markt los ist oder verlassen Sie sich lieber auf die Benchmarkanalyse? Haben Sie definierte Zeitpunkte oder Routinen, die Ihnen und Ihrer Organisation dabei helfen? Wir sind gespannt auf Ihre Erfahrungen und freuen uns auf Ihre Kommentare. Hier können Sie direkt mit uns Kontakt aufnehmen.

Titelbild: Bram Van Oost, Unsplash

Geschrieben von

Andreas Bohnert Andreas Bohnert Andreas Bohnert hat als Wirtschaftsingenieur das richtige Gespür für Prozesse und wie man sie verbessern kann. Dabei hat er immer die Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Blick – sei es im Change-Management in der Automotive-Branche, in der Produktentwicklung oder in der Produktion. Veränderungen, ob sie nun von außen oder innen kommen, sieht Andreas als die beste Gelegenheit, den eigenen Methodenkoffer zu erweitern und neue Wege zu gehen. Die agilen Methoden sind für ihn der Ausgangspunkt, um selbst tiefer in die technologischen Inhalte einzutauchen, vor allem in die Digitalisierung. Was ihm dabei besonders gut gefällt: Mit Scrum übernimmt jedes Teammitglied Verantwortung und sieht die Wirkung seiner Arbeit. Deshalb ist sein liebster Scrum-Wert Commitment. Denn nur wenn das Team sich committet, kann es richtig ins Liefern kommen, und da fängt der Spaß an der Arbeit erst an. Wenn er nicht gerade Fahrrad fährt, arbeitet Andreas deshalb in seiner Freizeit gerne mit Holz: weil er die kreativsten Ideen beim Ausprobieren hat und weil die arbeitenden Hände oft die besseren Lösungen finden als der Kopf.

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Thilo Münz Thilo Münz Thilo Münz hat als Softwareentwickler Agilität hautnah erlebt und bringt dadurch als Berater ein besonderes Verständnis für die Herausforderungen in der Entwicklerrolle mit. Im täglichen Miteinander ist ihm eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe besonders wichtig, weil jeder Standpunkt einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung eines Teams leistet. Außerdem fasziniert ihn, wie Agilität die Kultur verändert: Dank der gelebten Prinzipien Transparenz, Fehlertoleranz und freiwilliges Teilen von Wissen hat Thilo eine Arbeitsweise gefunden, die mit seiner Persönlichkeit im Einklang steht. Dabei helfen ihm seine Wissbegier und sein Tatendrang, passende Lösungen für die individuellen Probleme der Teams, mit denen er arbeitet, zu finden.

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