Agil im Audit – Wann ist es sinnvoll und wann nicht?

Als ich neulich gemeinsam mit einem Prüfungsleiter vor der Herausforderung stand einen Prüfungsplan für das nächste Jahr aufzustellen, stellten wir uns die Frage, welche der anstehenden Prüfungen agil durchgeführt und welche nach klassischen Praktiken umgesetzt werden sollten. Vor dieser Frage stehen wir als Berater:innen in der Zusammenarbeit mit den Unternehmen immer wieder. Daher möchte ich meine Erfahrungen hierzu gern teilen. 

Klassisch oder agil – welches Verfahren passt wann? 

Bei einem klassischen Prüfungsvorgehen wird ein detaillierter Prüfungsplan verwendet, der von Anfang bis Ende abgearbeitet wird. Am Ende wird der Prüfbericht an die geprüfte Einheit übergeben. Beim agilen Auditing nähere ich mich der Prüfungssituation in Iterationen. Zu Beginn jeder Iteration wird ein kurzfristiger Plan erstellt, dieser wird durchgeführt und Ergebnisse als erster Teil des Prüfberichts übermittelt. Auf Basis der Erfahrungen wird die nächste Iteration geplant. 

So weit so gut – doch wann verwende ich welche Prüfungsmethodik? 
Vereinfacht gesagt: 

  • Ein klassisches Prüfungsvorgehen eignet sich bei Standardprüfungen, die bereits häufig durchgeführt wurden und für die ein standardisierter Prüfungsplan existiert.
  • Agiles Vorgehen ist hingegen bei komplexen Prüfungen geeignet, zu denen keine standardisierten Prüfungspläne existieren. Das ist bei neuen Prüfungsthemen oder Prüfungsgebieten der Fall. 

Als erste Entscheidungshilfe kann hierbei unsere Audit Stacey Matrix dienen. 

Die Einordnung erscheint logisch und sinnvoll, da es bei unbekannten Themen zu Beginn nicht möglich ist, einen detaillierten Prüfungsplan zu erstellen, der alle relevanten Risiken erkennt. Durch das iterative Vorgehen können wir Schritt für Schritt das Thema erschließen und bedarfsgerecht die Prüfung bestimmter Themen intensivieren. Diese Begründung greift aus meiner Sicht bei Entscheidung nach der Prüfungsmethodik aber zu kurz. Neben der Neuartigkeit des Prüfungsthemas ist ein weiterer Aspekt entscheidend: das Ziel bzw. der Zweck der Prüfung. 

Eine klassische Prüfung legt den Fokus auf die Vergangenheit. Es wird ein Soll-Ist-Abgleich durchgeführt, um zu überprüfen, ob in der Vergangenheit Compliance-konform gehandelt wurde. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Jahresabschlussprüfung, bei der ein Wirtschaftsprüfer den Jahresabschluss eines Unternehmens im Hinblick auf die Einhaltung von Gesetzen oder den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung überprüft.

Bei einer agilen Prüfung ist dieser Soll-Wert unbekannt – entweder weil das Thema noch unbekannt ist, z.B. beim Prüfen der Datenschutzrisiken beim erstmaligen Einführen einer Public Cloud im Unternehmen, oder weil sich der Soll-Wert regelmäßig verändert, z.B. aufgrund von Änderungen in der Unternehmensumwelt, die sich auf die Risiken auswirken. 

Das Ziel einer agilen Prüfung kann daher kein vergangenheitsbezogener Soll-Ist-Vergleich sein. Der Fokus einer agilen Prüfung liegt vielmehr darauf, ein neues Thema zu erkunden und möglichst viel darüber zu lernen – natürlich immer noch vor dem Hintergrund, mögliche Risiken zu erkennen und Maßnahmen abzuleiten. Für viele Unternehmen ist das ein vollkommen neuer Zweck einer Prüfung. Aus der reinen Kontrollfunktion wird gemeinsam mit der geprüften Einheit ein neuartiges Themenfeld erkundet. Die Prüfer rücken daher stärker in eine beratende Funktion. Dieser erweiterte Zweck sollte jedem – insbesondere den Auftraggeber:innen und der geprüften Einheit – bewusst sein, bevor die Methodik ausgewählt wird.

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Bildquelle: Fabien Bazanegue on Unsplash

Geschrieben von

Paul Koehler Paul Koehler Seine erste Erfahrung mit Scrum machte Paul Koehler während einer Teambuilding-Session mit einem Scrum-Simulationsspiel. Was ihn daran besonders beeindruckte: wie schnell das Team spielerisch neue Strategien lernte und die Zusammenarbeit optimierte. In nur wenigen Sprints stieg die Leistung exponentiell an und die Teammitglieder motivierten sich gegenseitig zu Höchstleistungen. An Agilität fasziniert ihn, dass er förmlich dabei zusehen kann, wie alte, scheinbar in Stein gemeißelte Denk- und Verhaltensmuster anfangen zu bröckeln und das darunter verborgene Potential zum Vorschein kommt. Ob als Wirtschaftsingenieur – mit Schwerpunkt Maschinenbau ­– oder ganz privat als leidenschaftlicher Hobbyfotograf: Paul begeistert sich für Technik und besitzt ein Auge für Details, ohne das Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Er experimentiert gerne mit Variablen und analysiert die Resultate. Seine intrinsische Motivation, sämtliche Wirkfaktoren und -zusammenhänge zu verstehen und zu optimieren, ist eine seiner wertvollsten Ressourcen als Berater in den Bereichen Automotive, Banking und Finance.

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