Jacob Collier, Emmy-Preisträger, YouTube-Star und vielleicht der begabteste Musiker unserer Zeit, sagte in einem Interview einen Satz, der mich seitdem nicht mehr loslässt:
„Natürlich kann man mit KI wie Suno Musik machen. Aber das ist nicht der Punkt. Es geht beim Musikmachen darum, eine eigene Stimme zu haben.“
Ich empfehle das untenstehende Interview einmal intensiv zu hören – denn es hat mich nicht nur selbst noch einmal sehr zum Nachdenken gebracht, sondern die beiden machen deutlich, was mich selbst immer angetrieben hat: Sie beschreiben hier nicht nur, was Kreativität ist, sondern siekommen zu der Schlussfolgerung: “Break the rules to create new order.” Eine wunderbare Definition von Kreativität - und genau das ist eine Wahrheit, die ich selbst tatsächlich selbst Glaube.
https://www.youtube.com/watch?v=22XTudPdOP8
So trifft mich genau dieser Gedanke ins Mark meines Seins. Ich selbst bin kein Musiker, ich würde mich auch nicht als Künstler bezeichnen. Aber ich bin ein Creator: Ich schreibe, ich denke, ich entwickle Ideen, erschaffe Unternehmen und Möglichkeiten für andere sich auszuleben. Sei es in Form eines Sachbuchs, eines Romans, eines Vortrags beim Aufbau von Unternehmen, von Scrum4Schools oder auch nur mit diesem Blogartikel.
Doch dabei wird mir immer stärker bewusst: ChatGPT oder jede andere KI kann mir eines nicht abnehmen – das eigene Schaffen, das Finden meiner Stimme.
Jacob Collier nutzt nicht nur seine Stimme. Er spielt Pianos, Synthesizer, Schlagzeug, bedient Loop-Maschinen und natürlich auch Software. Wie er hier in diesem wunderbaren Video zeigt: https://www.youtube.com/watch?v=M-Ii2_GgdRs&t=3125s
Er verbindet Technologie und Kunst zu etwas Neuem – aber der Ursprung bleibt sein eigener kreativer Impuls.
ChatGPT, Suno, Claude, Perplexity, Replit, sind für mich Instrumente.
Sie helfen mir, Gedanken klarer zu formulieren, auf Denkfehler hinzuweisen oder sogar alternative Perspektiven aufzuzeigen. Aber der Impuls, die Idee, das kreative Zentrum – das bleibt bei mir. Wie der amerikanische Schriftsteller Neil Gaiman es ausdrückt:
„Kreativität bedeutet, neue Dinge zu erschaffen. Nicht unbedingt originell zu sein – sondern echt.“ (Quelle: Gaiman, N. Art Matters, 2018)
KI kann uns also unterstützen, aber sie ersetzt nicht die Authentizität.
Und genau das ist der Kern: Wollen wir etwas Echtes schaffen oder nur etwas produzieren?
In meiner Arbeit bei borisgloger erforschen wir zurzeit intensiv, wie KI die Arbeit von Product Ownern, Scrum Mastern, Agile Coaches und anderen Beratungsrollen verbessern kann – und geben dazu Workshops und Seminar.
Unsere Erkenntnisse sind eindeutig:
Aber – und das ist wichtig – wenn es darum geht, eigene Gedanken zu entwickeln, bleibt der Mensch unverzichtbar. Dabei stimmt es nicht einmal, dass ich selbst origineller und durchdachter als Chat GPT bin, aber wenn ich mich ausdrücken will, meine eigene Reflexion, meine eigene Reibung mit neuen Gedanken, und meine eigene Erfahrung und Emotion in meinen Werken unterbringen will, dann muss ich selbst erschaffen.
Chat GPT und seine Kolleg:innen sind unsere Instrumente für noch besseres Optimieren. Doch wir müssen ausbrechen aus der Self-Development Kultur, dem betriebswirtschaftlichen Zugang auf unser Selbst-Entwicklung. Die wunderbare: Amie McNee erklärt uns in ihrem wunderbaren Vortrag: The case for making art when the world is on fire: “Creativity is the missing pillar of self-development. We are a culture that is obsessed with optimization and productivity. (...) How can we optimize and be the best versions of ourselves? And no one's talking about creativity. No one's talking about making stuff. It is the missing pillar of self-development.”
https://www.youtube.com/watch?v=2XZ9z6OewR0&t=97s
Doch in der in der aktuellen Diskussion über KI auf LinkedIN, und auch auf Konferenzen wie der SXSW wird oft von einer KI-Revolution gesprochen. Eigentlich sprechen wir dort aber nur über Optimieren. Und ja, KI verändert vieles. Aber ich sehe auch eine große Gefahr: Denn, wenn wir KI nur dazu nutzen, schneller mehr Inhalte zu produzieren, dann riskieren wir eine Explosion der Mittelmäßigkeit.
Der amerikanische Philosoph Hubert Dreyfus warnte schon früh in seinem Buch "What Computers Can't Do" (1972) davor, die menschliche Fähigkeit zur kreativen Intuition zu unterschätzen. Sein Argument bleibt aktuell: Maschinen können zwar Daten verarbeiten, aber nicht wirklich verstehen oder schöpferisch tätig sein. Wenn wir zulassen, dass KI Texte schreibt, Musik komponiert oder Kunstwerke erschafft – ohne dass der menschliche Funke dahintersteht, dann entsteht vor allem eines: eine Reproduktion des Immergleichen. Und wer hat sich dann ausgedrückt? Noch mehr Inhalte. Noch mehr Lärm. Aber wenig Neues.
Und wo ist der Sinn – noch mehr zu reproduzieren? Wir müssen uns durch unsere Arbeit ausdrücken. Uns selbst im Schaffen erfahren und entwickeln. Meine Arbeit ist meine Form der Kunst – ich muss keine Kunst, keine Songs, keine Gedichte schreiben – doch Projekte sind unser kleines Kunstwerk und damit Ausdruck unseres Wirkens.
Doch ich darf damit herumspielen, denn wenn ich damit herumspiele und bar eines musikalischen Vermögens Suno bitte aus einem Text, und einer Stimmung, die ich mir ausgedacht habe, etwas zu machen – dann kann ich mich mit dem Instrument Suno ausdrücken. (Das Ergebnis könnt ihr hier hören: https://suno.com/song/2e1ffecf-61e5-41af-bb10-44f090bf5741?sh=y12dgzWElkVAPgPP)
Daher nutzt wie wir ChatGPT auch in der Führung als Werkzeuge, als eure Instrumente. Nutze KI – aber benutze sie klug. Statt Inhalte zu produzieren, sollten wir versuchen, mit Hilfe der KI unsere eigenen Ideen zu verfeinern – oder sie für die Verbreitung unserer Ideen zu nutzen. Statt KI unsere Arbeit übernehmen zu lassen, sollten wir sie als Sparringspartner sehen, der uns herausfordert, besser zu denken, klarer zu formulieren und präziser zu argumentieren.
Denn der wahre Unterschied entsteht dort, wo Menschen ihre eigene Perspektive, ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle einbringen.
Unsere Erfahrung ist immer wieder gleich: Ein kurzer Tweet, der von Herzen kommt, bewegt mehr als tausend generische Artikel.
Immer wieder erlebe ich es selbst: Wenn ich einen Gedanken habe und ihn zunächst einfach herunterschreibe, entsteht etwas Echtes. Etwas, das meine Stimme trägt.
Wenn ich dann KI einsetze, um diesen Text zu strukturieren, klarer zu machen oder Varianten zu überlegen, dann hilft sie mir enorm. Aber jedes Mal, wenn ich versuche, einen Text nur mit KI entstehen zu lassen, spüre ich:
Das bin nicht ich.
Und genau an diesem Punkt erkenne ich: Es geht nicht um die Technologie. Es geht darum mich auszudrücken - denn ich will ja etwas sagen – meine Stimme erheben, um Veränderungen einzuleiten.
Gerade für Führungskräfte, Kreative und Organisationen stellt sich jetzt eine zentrale Frage: Wollen wir einfach nur effizienter Inhalte liefern – oder wollen wir echte Verbindungen schaffen, die mit unserer eigenen Verletzlichkeit, wie wir von Brené Brown gelernt haben beginnt?
Siehe zum Beispiel dieses wunderbare Interview mit ihr: https://www.audible.de/pd/The-Unusual-Suspects-with-Kenya-Barris-and-Malcolm-Gladwell-Hoerbuch/B0DNLC33TY?source_code=ASSGB149080119000H&share_location=pdp Episode 9.
Deshalb mein Aufruf an dich, an uns alle:
Wir stehen an einem faszinierenden Wendepunkt: Nie war es einfacher, eigene Ideen zu teilen, eigene Gedanken zu verbreiten. Wie uns Gary Vee immer und immer wieder erklärt: https://www.youtube.com/watch?v=lqmA-LrQzcY&t=185s
Doch gleichzeitig war es wichtiger, dass diese Ideen und Gedanken auch wirklich unsere sind. Wie Jacob Collier sagt: „Musikmachen bedeutet, deine eigene Stimme zu finden.“ Dasselbe gilt für Schreiben, Sprechen, Denken, Schaffen.
Lass uns Werkzeuge wie ChatGPT nutzen – aber vergessen wir nie: Es geht darum dich selbst in deinem Tun, zur Geltung zu bringen – deine eigene Wirkung zählt.
Weiterführende Links & Quellen: