Wie klassisches Projektmanagement und Agilität mit der Unvorhersehbarkeit zukünftiger Umstände umgehen

Als Berater, der methodisch und in seiner Haltung der agilen Hemisphäre zuzuordnen ist, habe ich schon oft die Dichotomie zwischen klassischem Projektmanagement und Agile argumentiert und noch öfter genau dieser zugehört.Eine oft gehörte Variante bezieht sich auf die Unvorhersehbarkeit zukünftiger Umstände und Entwicklungen. Das zentrale Schaubild ist hier die Stacey-Matrix: Gerne wird in dem Feld zwischen „trivial“ und „chaotisch“ im Bereich des Komplexen die Agilität verortet. Damit wird Agilität sofort zur Antwort auf Komplexität, Unvorhersehbarkeit und Unplanbarkeit gestempelt. Als Gegenbild dient dann meist das klassische Duo aus Wasserfallmethodik und Projektmanagement, das an der Komplexität scheitern muss, weil es auf Planbarkeit setzt.Beim Lesen des Buchs eines befreundeten Autors und Universitätsprofessors über „Therapeutisches Chaos“ hat mich ein Gedanke besucht: „Auf diese Weise wird der Theorie und Welt des klassischen Projektmanagements unterstellt, sie würde Komplexität und Unplanbarkeit per se weder verstehen noch für die eigene Modellierung zur Kenntnis nehmen oder berücksichtigen.“ Dass es in der Praxis durchaus zu oft so vorkommt, ist damit nicht ausgeschlossen.An dieser Stelle möchte ich für einen Agilisten allerdings etwas ziemlich Unpopuläres machen: Ich unterstelle bewusst, dass sich klassische Ansätze des Projektmanagements sehr wohl im Kontext von Komplexität bewegen und sich mit Inhalten und Umwelten auseinandersetzen, die man schwer bis gar nicht deterministisch behandeln kann. Sie sind sich dieses Umstandes gewahr und gehen bewusst damit um.

Klassisch vs. agil – der Unterschied im Wie

Der große Unterschied zwischen klassischem Projektmanagement und Agilität liegt im „Wie“, und das ganz deutlich.

  • Hier wird eine vertiefte und variantenreiche Planung versucht – dort auf eine rudimentäre Planung und verstärkte Selbstregulierung und Adaption des Systems gesetzt.
  • Hier werden auf der Planungsebene Soll-Ist-Vergleiche angestellt und bei Differenzen wird aktiv gegengesteuert – dort gibt es kleinteilige Feedback- und Reflexionsprozesse und den lernenden, explorativen Umgang mit Planabweichungen (sowohl planerisch, zeitlich, budgetär als auch inhaltlich, etwa im Scope).

Ist also im klassischen Projektmanagement die Abweichung per se eine Krise, wird sie im agilen Kontext per se als Chance behandelt.Formulieren wir die beiden Begriffe einmal im Sinne ihrer Funktion um, um sie einander gegenüberzustellen:

  • Ich würde das klassische Projektmanagement dem Paradigma einer „formenden Korrektur“ zuordnen. Das heißt, es wird immer wieder in das inhaltliche Geschehen und in das Verhalten des Systems eingegriffen, damit sich alles auf ein bestimmtes Zielbild hinbewegt.
  • Die Welt der Agilität gehört für mich zum Paradigma der „emergenten Ausprägung“. Das System entwickelt sich aus sich heraus und prägt sein Verhalten, den Inhalt und die Gestalt durch die Wechselwirkung und den Austausch mit dem Umfeld aus.

Warum kann es wichtig sein, den Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen sorgsam zu betrachten?Zu allererst ist das wichtig, wenn wir uns mit Veränderungen beschäftigen – als Change Manager, Agile Coaches oder Berater, die beim Umbau von Unternehmen mitwirken bzw. diese verantworten. Wir verantworten das Bild der Veränderung „VON – ZU“. Und dabei sind wir gut beraten, bei den richtigen, damit auch relevanten, weil wirksamen Inhalten und Umständen anzusetzen. Einen Schritt weitergedacht, ließe sich also ein Change, noch besser eine Transformation „vom Projektmanagement hin zu Agile“ reframen in „von der korrektiven Organisation hin zur lernenden Organisation“.Foto: CC0 Creative Commons, pixabay - Septimiu88

Jürgen Margetich
May 23, 2018

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