Wirksam agil führen - die Bedeutung des transformativen Führungsstils

Agile Organisationen fremdeln oft mit klassischen Führungsmodellen. Immer mehr Menschen wird bewusst, dass klassische direktive Führungsverständnisse nicht mehr zur neuen Organisationsform passen wollen. Doch welche Art von Führung könnte dem neuen Organisationssystem dienen? In diesem Artikel schlage ich die transformationale Führung als Gundlage für agile Organisationen vor. Es ist meine Überzeugung und Erfahrung, dass dieses Führungsverständnis vom Top-Management bis zur Teamebene als wirksames Führungs-Leitbild dienen kann.

Was bedeutet eigentlich transformationaler Führung? 

Erstmals erwähnt wurde der Begriff vom Politikwissenschaftler James MacGregor Burns, der das Verhalten von Politikern in transformationale und im Gegensatz dazu die transaktionale Führung aufteilte. Die beiden Begriffe sind damit seit den 90ern fester Bestandteil der Debatte um Führung.  Grundsätzlich beleuchtet die transformationale Führung nach Philip M. Podsakoff folgende Aspekte: 

 
1. Vorbildfunktion 

2. Zukunftsvision 

3. Individuelle Unterstützung 

4. Förderung von Gruppenzielen 

5. Intellektuelle Anregung 

6. Hohe Leistungserwartung 


Die Effekte dieses Führungsverhaltens werden häufig mit einem höheren Vertrauen und einer höheren Loyalität beschrieben und auch empirisch belegt. Die Mitarbeiter werden kontinuierlich zur Problemlösung angeregt und auch regelmäßig “Über die Klippe” geschubst, damit ihnen Flügel wachsen und sie die nächste Reifestufe erreichen.

Was hat das mit Agilität zu tun? 

Ein kritischer Erfolgsfaktor für Agile Organisationen sind funktionierende selbstorganisierte Teams. Diese lösen komplexe Probleme in Umfeldern, in denen weder die Anforderungen noch die zur Bewältigung zu wählenden Mittel wirklich klar sind. Das Team und sein Framework sind der einzige Rahmen, in dem die Mitarbeiter selbstorganisiert und auf Basis von hohem Fachwissen Lösungen für die Probleme finden, die gerade am wichtigsten sind.

Dieses Prinzip wurde bereits von Ralph Douglas Stacey in der nach ihm benannten Stacey Matrix erklärt. Vereinfacht gesagt vermittle ich das Konzept immer so: Wenn nichts klar ist, gib dem Team eine feste Zeitspanne vor. Sorge dann dafür, dass die Anforderungen, die in dieser Zeitspanne bearbeitet werden sollen, klar und einfach beschrieben sind. Anschließend lass das Team entscheiden, welche Mittel es zur Erfüllung der Aufgabe verwenden will. Danach nutzt das Team die Zeit um selbstorganisiert die beste Lösung zu finden, die es finden kann. Alle diese Schritte finden sich zum Beispiel in SCRUM.


Ich bin der Überzeugung, dass eine Führungskraft die eine wirkliche Auswirkung über ihr eigenes Verhalten hinaus in einem Team in komplexen Umfeldern entfalten möchte die Transformationen im Fokus haben muss.

Es darf mittelfristig keine einzige Führungshandlung mehr geben, die für die Lieferfähigkeit des Teams Bedingung ist. Denn solange Führung notwendige Bedingung für Lieferung ist, ist das Team ohne Führungskraft nicht lieferfähig und damit streng genommen nicht Selbstorganisiert. In komplexen Umfeldern wäre es fahrlässig, diesen Zustand auf Dauer aufrechtzuerhalten. Denn aus der Abhängigkeit zur Führungskraft heraus limitiert sich der Lösungsraum des Teams immer mehr. Das Team wird nur sehr selten etwas hervorbringen, was sich die Führungskraft nicht vorstellen kann.


Eine Transformative Führungskraft ist daher eine, die ernsthaft den Ansatz verfolgt irgendwann gar nicht mehr gebraucht zu werden. Die Wahl der Mittel kann dabei wie im klassischen Führungsmodell situativ erfolgen. Die “Situation” umfasst allerdings auch die Person, die Persönlichkeitsstruktur die zu lösende Aufgabe, die organisatorischen Rahmenbedingungen und die Ziele. Wir haben es also mit einem systemisch informierten Situationsbegriff zu tun.


Wie führe ich transformational?


Eine Führungskraft kann auf diesem Pfad nach meiner Erfahrung auf folgende drei Werkzeuge zurückgreifen.

1. Den klassischen Führungseingriff bei gleichzeitiger langsamer Ausweitung der Delegationsgerade.

2. Die Konfliktlösung, bei gleichzeitiger Fokussierung nachhaltiger Maßnahmendefinition 

3. Die Organisationsentwicklung, als Arbeit am System.  

Der Führungseingriff 

Der direkte Führungseingriff kann als Ultima Ratio einer transformativen Führungskraft verstanden werden. Nur genau dann, wenn sich im Team eine Situation ergibt, die ohne ein Eingreifen die Lieferung gefährden würde, oder die eine einmalige Gelegenheit zur Transformation des Verhaltens im Team darstellt wird sie gewählt. Die Führungskraft muss also permanent beobachten und abwägen, wann Sie eine direkte Entscheidung oder kommunikative Beeinflussung durchführt. Je seltener das notwendig ist desto besser. 
 

Die Konfliktlösung

Bei diesem Instrument liegt die Spanne von milden Moderationseingriffen zur Erhöhung des gegenseitigen Verständnisses bis zur transformativen Mediation. Bei der Auflösung der auftretenden Konflikte sind die Vereinbarungen beinahe nebensächlich. Stattdessen steht das Sehen und Verstehen der Teammitglieder und das Erlernen der gegenseitigen Sprache im Vordergrund. Außerdem werden über die Analyse der Konfliktursachen gemeinsam mit den betroffenen Bruchstellen sichtbar.

An welcher Stelle sind die im Team geltenden Regeln und Verhaltensweisen für einzelne oder alle nicht mehr funktional? An welchen Stellen stößt das Team an seinen Außengrenzen auf Konflikte mit dem Umfeld? All diese Elemente helfen dem Team im weiteren Verlauf besser miteinander und mit dem Umfeld umzugehen und sind damit letztlich verhaltensleitend.

Die Organisationsentwicklung 

Die Arbeit am System lädt dazu ein sich in ihr zu verlieren. Davon können alle Organisationsentwickler und agilen Coaches ein Lied singen. Der Fokus einer Führungskraft, die diesen Führungsstil anwendet, liegt deshalb darauf, die Organisationsentwicklung dafür zu verwenden, neue Verhaltens-Gleichgewichte im Team ausfindig zu machen und zu stabilisieren.

Immer wenn ein für die Lieferung förderliches Verhalten beobachtet wird, werden Strukturen dafür verwendet es zu konservieren und schulbar zu machen. Dabei wird ein sehr großer Gegensatz zur klassischen Organisationsentwicklung deutlich, welche sich oft mit der Definition von Standards und häufig auch der Vereinheitlichung ganzer Organisationsbereiche beschäftigt. Einer transformativ arbeitenden Führungskraft geht es ausschließlich darum förderliche Verhaltensweisen zu verstetigen.

Entgegen der klassischen Definition der transformativen Führung, gehe ich dabei davon aus, dass die Führungskraft Instrumente im Team etablieren kann, die eine Zukunftsvision und einen Geist gemeinsamer Innovationen im Team Institutionalisieren. Das Team stiftet sich selbst eine Vision. Es wird zur Definition eigener Ziele angeregt und baut sich ein Arbeitsmodell auf, das für die Erreichung genau dieser Ziele das Richtige ist und auch nur genauso lange existiert wie diese Ziele verfolgt werden.  

Eine Nummer zu groß? 

Beim Lesen werden einige bereits die Augen verdreht haben. Ich möchte an dieser Stelle deshalb nochmal ausdrücklich mit einem Vorurteil aufräumen: Die Instrumente der Organisationsentwicklung sind mitnichten ausschließlich für Unternehmens- oder Bereichsweite Transformationen reserviert. Sie funktionieren ebenso gut auf Teamebene ja sogar auf persönlicher Ebene.

Meiner Erfahrung nach ist es sogar besonders wirksam, wenn ein Team einen gemeinsamen Purpose oder eine Vision findet und sich regelmäßig daran misst. Ist dann die Ableitung von Zielen von einer Vision und die flexible Abstimmung geeigneter Prozesse zur Erreichung dieser Ziele in Fleisch und Blut übergegangen und ist die selbstorganisierte Besetzung der wichtigsten Rollen im Dienste der bestmöglichen Zielerreichung im Team erst einmal institutionalisiert ist es unabhängig vom Organisationskontext zu Höchstleistungen fähig.

Da gerade agile Organisationen immer stärker dazu tendieren selbstorganisierte marktorientierte Teams aufzubauen, die mit höchster Kundennähe Innovationen entwickeln und echten Mehrwert am Markt erzeugen ist diese Herangehensweise in der Führung aus meiner Sicht die einzig richtige.

Merke: Die Führungskraft ist der Coach und Organisationsentwickler des Teams und versucht sich jeden Tag ein wenig mehr überflüssig zu machen. Jede Führungskraft, die wirksam sein will im agilen Unternehmen, arbeitet transformativ.

Bildquelle: Nathan Dumlao auf Unsplash

Agile Toolbox
Agile Prinzipien
Transformation
Malte Schulz
March 29, 2023

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