Als die österreichische Bundesregierung Ausgangsbeschränkungen für das ganze Land verhängte, drehten sich meine Gedanken in beruflicher Hinsicht zunächst um das Onboarding unserer neuen Kollegin, die am darauffolgenden Montag ihren ersten Arbeitstag haben sollte. Wie sollten wir es gestalten, damit wir die Candidate Experience nicht mit einem Schlag in den Sand setzen? Wie können wir als Unternehmen mit dieser Situation umgehen? Wie geht es den Kollegen? Mein Kalender ist voll mit Bewerbungsgesprächen, aber stellen wir kurzfristig überhaupt Leute ein?
Die drastisch steigenden Arbeitslosenzahlen und der Gedanke, dass wir wohl noch nicht den Höhepunkt dieser Krise erreicht haben, sind besorgniserregend. Am Begriff „Kurzarbeit“ führt in den Medien aktuell kein Weg vorbei, von Kollegen wurde ich schon bald darauf angesprochen. Ich habe gespürt, wie groß die Unsicherheit und wie wenig greifbar die Thematik ist, zunächst auch für mich selbst. Wir haben für unsere deutschen und österreichischen Kollegen kurzerhand eine transparente Übersicht erstellt, welche Möglichkeiten wir (auch abgesehen von Kurzarbeit) hätten, um der Krise entgegenzuwirken und was das konkret für den Einzelnen bedeuten würde. In die tatsächlichen Entscheidungen werden alle eingebunden, die sie betreffen. In einer Videokonferenz für das ganze Unternehmen haben wir die Optionen gemeinsam besprochen. Die Reaktionen der Kolleginnen und Kollegen haben mich überwältigt. Wir haben grundsätzlich ein starkes „Wir-Gefühl“ im Unternehmen, aber mit diesem Maß an Loyalität, Verständnis und Initiative hatte ich nicht gerechnet.
Ich hatte in der letzten Woche trotz Home Office und Krisenstimmung sechs Kandidateninterviews. In den Gesprächen, die wir aktuell natürlich ausschließlich via Videokonferenz führen, habe ich versucht, den Kandidaten Sicherheit und Normalität zu vermitteln. Einige von ihnen haben sich zuvor erkundigt, ob das Gespräch überhaupt stattfindet. Kurz gesagt: Ja, wir führen weiterhin Gespräche und ja, wir stellen auch weiterhin Leute ein. Wir werden diese Krise überwinden und unsere mittel- und langfristigen Ziele nicht aus den Augen verlieren.
Bei einem Onboarding wird nichts dem Zufall überlassen – Krise hin oder her. Wir hatten uns bereits für den „Ernstfall“ vorbereitet und der neuen Kollegin rechtzeitig vor der Ausgangsbeschränkung ihre Arbeitsgeräte und Unterlagen übergeben. Am Abend vor dem Onboarding wollten wir gemeinsam mit ihr entscheiden, ob das Onboarding im Büro stattfindet oder virtuell. Die Entscheidung hat uns die österreichische Bundesregierung abgenommen. Eine solche Situation, eine globale Pandemie, ist uns für uns alle fremd, vergesst nicht, dass unser aller Gesundheit an oberster Stelle steht. Geht damit nicht leichtfertig um und bringt eure (neuen) Mitarbeiter in keine Situation, in der sie sich unsicher fühlen.
An ihrem ersten Tag starteten unsere neue Kollegin und ich unsere Videokonferenz über Microsoft Teams. Ich teilte meinen Bildschirm und ging mit ihr Schritt für Schritt alle Punkte im Onboarding-Handbuch durch, wie wir es auch im Büro gemacht hätten. Hin und wieder war es schwierig für mich, auf die Folien zu schauen – die Kollegin also in diesem Moment nicht zu sehen – und gleichzeitig aufmerksam dafür zu sein, ob sie etwas fragen oder anmerken wollte. Um nicht stundenlang vor der Kamera zu sitzen, haben wir die Agenda auf zwei Tage aufgeteilt. Mein Fazit: Das remote Onboarding ersetzt nicht den persönlichen Kontakt und das gemeinsame Mittagessen am ersten Arbeitstag. Wir haben das Bestmögliche aus der Situation gemacht und sowohl wir als auch unsere Kollegin haben uns voll und ganz auf den Prozess eingelassen. Auch unser Einstiegstraining zu Scrum, das jeder Neuzugang erhält, wird nun erstmals remote stattfinden.
Stellt euch vor, ihr habt euren ersten Arbeitstag in einer neuen Firma, seid ans Homeoffice gebunden, könnt nicht ins Büro und lernt die neuen Kollegen erstmal nur virtuell kennen. Die aktuelle Situation ist mitunter auch privat belastend. Es könnte noch Wochen dauern, bis ihr wieder ohne Einschränkungen aus dem Haus dürft. Eure Probezeit (ein Monat in Österreich) endet inzwischen vielleicht sogar. Versetzt euch in die Lage des neuen Mitarbeiters. In einer solchen Situation „endet“ ein Onboarding nicht nach einigen Tagen oder einer Einschulungsphase, es hat noch gar nicht richtig begonnen! Umso wichtiger ist es, neuen Kollegen Sicherheit, Vertrauen und Verständnis entgegenzubringen. Geht auf sie ein, seid für sie da, integriert sie auf jede erdenkliche Weise. Wie wir das tun? Unter anderem mit Daily Standups, regelmäßigen Videocalls, noch stärkerem Fokus auf unser Mentoring-Programm oder virtuellen Events wie beispielsweise einem „Remote Company Breakfast“. Unabhängig davon: Ruft die neuen Kollegen an, um euch einfach zu erkundigen, wie es ihnen geht, holt ihr Feedback noch öfter ein, als ihr es ohnehin tun würdet. Bleibt in Kontakt!