Wettbewerbsvorteil „Skills und Expertise“ – Mobilität digital denken #4

Automobilhersteller sind Spezialisten im Bereich F&E und Produktionstechnik, aber nicht in der Entwicklung von Softwareprodukten und -services. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie sich als Softwareentwickler begreifen und intern bei ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die notwendigen Fähigkeiten und Expertise aufbauen.

Expertise von außen dazu holen: Ausgelagerte Softwareentwicklung stärker einbinden

Wir beobachten in der Automobilindustrie, dass fehlende Expertise eher von außen dazu geholt, als intern geschaffen wird. So ein Vorgehen ist zwar schneller und kurzfristig günstiger, das Problem ist aber: Die Externen arbeiten normalerweise ein Projekt ab und nehmen ihr Wissen dann wieder mit. So fehlt diese Kompetenz weiterhin bei den internen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und muss auch in Zukunft zugekauft werden. Unterm Strich bedeutet das, dass in diesen Konzernen die Produkt- und Softwareentwicklung nicht auf dem neuesten Stand ist. Stattdessen werden bewährte Methoden weitergeführt und der Fokus bleibt auf dem Entwickeln und Produzieren von Hardware.
Wenn Softwareleistungen von außen zugekauft werden, ist es außerdem schwieriger, eine funktionierende Microservice-Architektur aufzubauen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die Automobilhersteller intern Wissen und Kompetenzen in der Softwareentwicklung aufbauen. Sie müssen in ihre eigenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen investieren. Eine mögliche Lösung ist, externe Softwareexperten und -expertinnen dazu zu holen, aber nicht, damit sie eine fertige Software liefern, sondern damit sie eng mit den eigenen Leuten zusammenarbeiten und so 1. die für das Unternehmen und seine Kunden passenderen Lösungen liefern und 2. intern Wissen aufbauen.

Interne Kompetenzen weitergeben: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lernen voneinander

Fahrzeuge herzustellen ist eine komplexe Angelegenheit, für die in verschiedenen Bereichen tiefes Wissen gebraucht wird. Das führt zu Hyperspezialisierungen bei einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in gewissen Feldern. Sie haben sich das Wissen mit viel Aufwand und Disziplin angeeignet und sind im Unternehmen für ihre Expertise bekannt. Die Folgen sind: 1. Diese Personen scheinen unersetzbar zu sein. 2. Sie sind so fokussiert auf ihren Bereich, dass sie sich kein Wissen in anderen Bereichen aneignen können oder wollen.
Die Personen und das Unternehmen profitieren aber davon, wenn mehrere im Team dasselbe Wissen und alle zusammen eine breitere Wissensbasis haben. In crossfunktionalen Produktteams bauen wir deshalb Redundanzen auf. Denn das bedeutet, dass sich die Teammitglieder gegenseitig unterstützen und vertreten können. Außerdem bleibt das Wissen eher im Unternehmen.

Moderne Produktentwicklung: Methodenwissen und Soft Skills

Was den Automobilherstellern (und auch anderen großen Unternehmen) an internem Wissen und Kompetenzen häufig fehlt, ist nicht nur das Softwareentwicklungswissen an sich. Mindestens genauso wichtig ist modernes Produktentwicklungswissen. Die klassische Produktentwicklung folgt der bekannten linearen Abfolge: Anforderungsanalyse, Design, Entwicklung, Test und Integration, Roll-Out, Wartung und Support. Der Kundennutzen, um den es ja eigentlich geht, entsteht erst nach Abschluss des Projektes (unter Umständen nach mehreren Jahren).
In der modernen Produktentwicklung besinnen wir uns auf den ursprünglichen Zweck des Unternehmens: laufend Nutzen für den Kunden zu schaffen. Das ist keine neue Erfindung, sondern eine Wiederentdeckung. Der Kunde wird zum zentralen Orientierungspunkt, an dem alle anderen Aktivitäten ausgerichtet sind. Das heißt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen in die Lage versetzt werden, unternehmerisch denken zu können. Sie müssen den Markt vor Augen haben und sich Feedback von den Kunden holen. Dazu müssen die Prozesse so gestaltet sein, dass sie dieses Feedback sofort umsetzen können. Zur modernen Produktentwicklung gehört es deshalb auch, dass die Entwicklerinnen und Entwickler in den modernen Software-Entwicklungspraktiken, (User Stories schreiben, Tests automatisieren, in DevOps und Microservices arbeiten etc.) sattelfest sind.

Auf den Punkt: Wie können Sie wettbewerbsfähige Mitarbeiterinnen & Mitarbeiter aufbauen?

  • Experimentieren statt Geschäftsfälle durchrechnen: Die Teams müssen in der Lage sein, die Produkte in kleinere Lieferungen zu teilen, für die sie sich in kleinem Rahmen sobald wie möglich echtes Kundenfeedback holen. Experimente und das Bauen von Prototypen (z.B. Click-Dummies) müssen möglich sein.
  • Weiterbildungen statt Outsourcing: Investieren Sie in Ihre eigenen Leute, auch wenn das länger dauert, als Externe dazu zu holen. Aber es muss auch kein Entweder-Oder sein: Suchen Sie sich geeignete Partner, die für Sie Leistungen erbringen und gleichzeitig Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterbilden.
  • State-of-the-art-Produktentwicklung statt Wissenslücken: Wenn notwendiges oder nützliches Wissen und Kompetenzen fehlen, dann müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dies äußern dürfen und sich Unterstützung holen können (vom Management, ScrumMaster o. a.).

Erfahren Sie mehr

Skills und Expertise bilden eine der sechs Ebenen in der agilen Transformation. Im ersten Teil der Blogreihe „Mobilität digital denken“ finden Sie die Beschreibungen aller sechs Ebenen. Im nächsten Teil geht es um Kundenorientierung und Produktentwicklung.
Wenn Sie mehr über den borisgloger-Zugang in der Automobilbranche erfahren wollen, besuchen Sie unsere Branchenseite Automotive. Für eine Einführung in die maßgeschneiderte Skalierung empfehlen wir Ihnen das myScaled Agile Intro Training.

Geschrieben gemeinsam mit Michael Friedmann.

Die Reihe: Mobilität digital denken

#1 “Die Autobranche muss agil werden”

#2 “Produkt- statt Prozessarchitektur”

#3 “Entwicklungs- & Kommunikationsinfrastruktur”

#4 “Wettbewerbsvorteil „Skills und Expertise“”

#5 “Kundenorientierung & Produktentwicklung”

#6 “Management-Frameworks”

#7 “Führung und Werte”

Bild: Pexels License, Andrea Piacquadio

Geschrieben von

Faruk Ince Faruk Ince Als Betriebswirt denkt Faruk Ince analytisch und in Zusammenhängen. Sein scharfer Blick fürs Detail und sein Drang, die Ursachen hinter den auftretenden Impediments zu erkennen und verstehen, befähigen ihn, diese im Sinne des gesamten Teams zu lösen. Gleichzeitig hat er aber auch stets die Abhängigkeiten im Auge, die über die Teamebene hinausgehen. Faruk hinterfragt die Prozesse der täglichen Zusammenarbeit und zeigt auf, an welchen Stellen es noch Verbesserungspotenzial gibt. Dabei setzt er auf ehrliches Feedback und bringt auf diese Weise einen positiven Veränderungsprozess ins Rollen. Eine Fähigkeit, mit der er auch seine persönliche Entwicklung ständig vorantreibt. Auf unterschiedliche Arten arbeitet Faruk also an dem, was für ihn die Agilität eines Unternehmens ausmacht: langfristige Stabilität, gepaart mit kurzfristiger Anpassungsfähigkeit.

Team member profile

Michael Friedmann Michael Friedmann

Schon während seines Studiums hat Michael Friedmann in der Automobilindustrie umfassende Erfahrung im Innovationsmanagement, in der Produktentwicklung und in der Produktionslogistik gesammelt. Sein tiefgehendes fachliches Wissen in diesen Bereichen hat er mit viel interdisziplinärem  Know-how ergänzt, was ihn zu einem echten Teamplayer macht. Mit seiner Zielstrebigkeit und strukturierten Vorgehensweise ist Michael ein Umsetzer, der andere in Prozessen gut anleiten kann. So wie beim Sport, den er selbst leidenschaftlich betreibt, hält er es aber auch mal als Zuschauer aus, der das Team im Hintergrund mit dem Beseitigen von Hindernissen unterstützt. Dabei bleibt er immer offen für aktuelle Entwicklungen und passt den Weg gegebenenfalls dynamisch an.

Team member profile

TEILE DIESEN BEITRAG

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.