Hand aufs Herz – wie viele E-Mails hast du heute schon unbeantwortet gelassen, obwohl dein Kopf längst „Achtung, Rückstau!“ ruft? Und jetzt stell dir vor, dein Chef sagt: „Mach doch einfach mal Box Breathing.“ – Klingt absurd? Vielleicht. Aber: genau diese simplen Methoden sind mittlerweile wissenschaftlich ziemlich gut belegt.
Als ich vor Jahren den ersten Business-Artikel darüber las, dass Führungskräfte jetzt in Yoga-Retreats geschickt werden, um „noch performanter“ zu werden, war ich ehrlich gesagt
stinksauer. Unternehmen wollten plötzlich, dass ihre Manager meditieren – nicht, damit sie glücklicher werden, sondern damit sie noch mehr Leistung bringen. Dabei waren Qigong, Tai Chi oder Atemübungen nie als Turbo fürs Hamsterrad gedacht. Sie sind entstanden, um das Gegenteil zu erreichen: Stress abbauen, Kopf frei machen, die Balance wiederfinden. Ein Publizist sagte einmal auf einer Konferenz sinngemäß: „Führung ist keine Bühne für Authentizität im Sinne von: ich zeige jede Laune ungefiltert. Führung ist eine Rolle. Und zu dieser Rolle gehört es, Gelassenheit und Sicherheit zu vermitteln.“ Genau das trifft es. Wer führt, übernimmt Verantwortung – und diese Verantwortung verlangt Klarheit, nicht Chaos.
Psychologen nennen es „Selbstregulation“. Im Grunde bedeutet es: Ich weiß, wie es mir geht – und kann meinen Zustand steuern. Klingt banal, ist aber der Gamechanger. Daniel Goleman, der Vater der Emotionalen Intelligenz, bringt es auf den Punkt: „Die Fähigkeit, eigene Emotionen zu regulieren, ist die Basis guter Führung“ (Emotional Intelligence, 2013).
Ohne sie laufen wir Gefahr, Stress einfach weiterzugeben – an Mitarbeitende, Teams oder sogar an die Familie. Und das Beste: Es gibt mittlerweile jede Menge Zahlen, die zeigen, wie sehr diese Techniken wirken:
· Aetna, ein US-Unternehmen, führte Meditationsprogramme ein. Ergebnis: Stresslevel runter um 28 %, Schlafqualität rauf um 20 %. Der Produktivitätsgewinn? Rund 3.000 US-Dollar pro Mitarbeiter im Jahr (New York Times, 2015).
· Die University of Wisconsin fand heraus: Schon 20 Minuten Meditation am Tag verbessern die Konzentration und senken Ablenkungen drastisch. Führungskräfte, die mitmachten, trafen 30 % bessere Entscheidungen (Lutz et al., 2008).
· Eine Meta-Studie mit 12.000 Teilnehmenden ergab: Achtsamkeitstraining reduziert Burnout und steigert Arbeitszufriedenheit signifikant (Allen et al., 2014).
Und jetzt Butter bei die Fische. Hier sind drei Techniken, die so simpel sind, dass man sich fast wundert, warum sie nicht längst Standard in jedem Meeting sind:
1. Box Breathing – Vier Sekunden einatmen, vier Sekunden halten, vier Sekunden ausatmen, vier Sekunden halten. Die Navy SEALs nutzen das, um im Kugelhagel Ruhe zu bewahren. Wenn es für die funktioniert, dann bestimmt auch fürs Montags-Meeting.
2. 4-7-8-Atmung – Vier Sekunden ein, sieben halten, acht aus. Klingt wie eine Matheübung, ist aber eine der effektivsten Methoden, um Nervosität runterzufahren. Dr. Andrew Weil beschreibt es als „natürliche Schlaftablette ohne Nebenwirkungen“.
3. Tai Chi – Harvard-Forscher haben gezeigt, dass Tai Chi nicht nur Stresshormone senkt, sondern auch die kognitive Leistungsfähigkeit verbessert (Yeh et al., 2018). Übersetzt: Man bleibt entspannter und denkt klarer. Pluspunkt: Man sieht dabei ziemlich cool aus, wenn man es draußen im Park macht.
Das Beste: Es braucht nicht mal ein Meditationskissen. Schon ein grüner Fleck am Horizont reicht. Einfach kurz aus dem Fenster schauen, drei tiefe Atemzüge nehmen, und der Kopf sortiert sich von selbst. Die Psychologin Barbara Fredrickson nennt solche Mini-Pausen „Mikro-Momente der Resilienz“ – kleine Unterbrechungen, die auf Dauer einen riesigen Unterschied machen.
Führungskräfte, die ihre eigene Gelassenheit pflegen, sind nicht nur entspannter – sie sind auch messbar produktiver. Weniger Stress, klarere Entscheidungen, motivierte Teams. Oder um es mit Richard Boyatzis zu sagen: „Resonante Führung entsteht, wenn wir unsere eigenen Emotionen im Griff haben und dadurch die Emotionen anderer positiv beeinflussen“ (The Competent Manager, 2018). Also: Nächstes Mal, wenn dein Kalender überquillt und dein Team nervös auf Antworten wartet – probier es mit vier Sekunden Einatmen, vier Sekunden Halten, vier Sekunden Ausatmen, vier Sekunden halten und das ganze fünf Mal. Deine Mitarbeiter werden es dir danken.
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· Allen, T. D., Eby, L. T., Conley, K. M., Williamson, R. L., Mancini, V. S., & Mitchell, M. E. (2014). What Do We Really Know About the Effects of Mindfulness-Based Training in the Workplace? Journal of Applied Psychology, 99(6), 1217–1238.
· Boyatzis, R. E. (2018). The Competent Manager: A Model for Effective Performance. Wiley.
· Gelles, D. (2015). At Aetna, a C.E.O.’s Management by Mantra. The New York Times, Feb. 27, 2015.
· Goleman, D. (2013). Emotional Intelligence: Why It Can Matter More Than IQ. Bantam Books.
· Gross, J. J., & Thompson, R. A. (2020). Emotion Regulation: Conceptual Foundations and Future Directions. Psychological Inquiry, 31(4), 336–344.
· Lutz, A., Slagter, H. A., Dunne, J. D., & Davidson, R. J. (2008). Attention regulation and monitoring in meditation. Trends in Cognitive Sciences, 12(4), 163–169.
· Navy SEAL Foundation. (2021). Box Breathing: A Navy SEAL Technique for Focus and Stress Relief.
· Yeh, G. Y., Wayne, P. M., & Phillips, R. S. (2018). Tai Chi Exercise in Patients With Chronic Heart Failure: A Randomized Clinical Trial. Archives of Internal Medicine, 168(12), 1186–1194. Harvard Medical School.