Der Product Owner und das Team: Anatomie einer Beziehung

Zur Rolle des Product Owners gehört eine ganze Menge. Der Product Owner soll eine mitreißende Produktvision haben, sein Backlog immer schön pflegen und darüber hinaus den Business Value nicht aus den Augen verlieren. Das allein kann es jedoch nicht gewesen sein. Es gibt genügend Product Owner, die all diese Tätigkeiten gut bis sehr gut beherrschen - und dennoch nicht wirklich in ihrer Rolle angekommen sind, mit ihrem neuen Amtsverständnis hadern und fremdeln. Oftmals liegt das daran, dass der Product Owner nicht im Scrum-Team angekommen ist.Ein klassischer Projektleiter weiß, in welcher Beziehung er zu seinem Team steht. Er führt seine Mitarbeiter direkt oder indirekt, teilt ihnen Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu. Dem Product Owner ist diese Form des Zugangs zum Team verwehrt. Das Entwicklungsteam soll ja selber entscheiden, wie viel es schafft und wer die Aufgaben erledigt. Die so verstandene Autonomie des Entwicklungsteams kann abschreckend wirken - ein Product Owner, der mit seinen Wünschen und Vorstellungen immer wieder abprallt, zieht sich gerne in seine Ecke zurück.

Scrum-Fernbeziehungen sind gefährlich

Wenn wir von Scrum-Teams reden, denken wir immer noch viel zu oft nur an das Entwicklungsteam. Das ist auch irgendwie logisch. Schließlich ist es das Entwicklungsteam, das Stories bearbeitet und am Ende des Sprints liefert. Der Product Owner wird dabei gerne in eine externe Rolle gedrängt: Nach diesem Verständnis beschränken sich seine Aufgaben auf die Versorgung mit Stories und die Abnahme an Ende des Sprints.

copyright Gerhard Peyrer

Das sieht dann so aus: Der Product Owner macht seine Arbeit. Das Entwicklungsteam macht seine Arbeit. Man trifft sich zu den Plannings und Estimation Meetings, und damit soll es gut sein.Partnerschaften funktionieren so nicht. Scrum auch nicht. Der ganze Sinn und Zweck von Scrum besteht ja darin, das Abteilungsdenken aufzulockern, die Grenzen durchlässiger zu machen und die interdisziplinäre Kommunikation zu verdichten. In klassisch geführten Projekten brütet der Produktmanager im stillen Kämmerlein seine Produkte aus, schreibt dutzende Seiten zusammen - und mutet dann seinen Entwicklern zwei Dinge zu: Erstens das ganze Dokument zu lesen und zweitens die Produktidee dann auch noch so umzusetzen, wie er sich das gedacht hat.

Krieg der Welten, neu inszeniert

Dass das nicht funktionieren kann, weiß jeder Schüler, der sich mit Textinterpretation beschäftigt hat. Sobald die Tinte trocken ist, lösen sich die Gedanken vom Autor und entwickeln ein eigenes Leben. Dinge können so oder so ausgelegt werden - und was für die Fachseite völlig klar zu sein schien, kann für die Entwickler etwas komplett anderes bedeuten. Gregor Gramlich, agiler Entwickler, hat in einem köstlichen Theaterstück mal einen Auftraggeber gespielt, der von einem Entwickler eine App zum Verwalten von Basketball-Spielen haben wollte. Das ging dann ungefähr so:Auftraggeber: [...] Ja, und dann sollen die Spieler mit ihren Rückennummern aufgeführt werden.Entwickler: Ja, klar. Jeder Spieler soll anhand einer Nummer identifiziert werden. Wollte ich sowieso so machen. Was für Nummern sind das denn?Auftraggeber: Puh, das können alle einstelligen und zweistelligen Nummern sein.Entwickler: Gut. Aber zwei Spieler können nicht die gleiche Nummer haben - oder?Auftraggeber: Wie meinst du das - im gleichen Team?Entwickler: Ja, genau.Auftraggeber: Doch, die Nummern können im Laufe einer Saison durchaus geändert werden.Entwickler: Und wie ist es mit der Null? Kann ein Spieler eine Null haben?Auftraggeber: Ja, der kann eine einfache oder eine eine doppelte Null bekommen.Entwickler: Eine doppelte Null? Das ist aber schlecht. Die gibt es als Zahl doch gar nicht!Auftraggeber: Wie - die gibt es nicht?Und so weiter.Die Aufführung zeigt sehr schön, wie zwei Welten aufeinanderprallen. Der Auftraggeber sitzt gedanklich schon im Spiel. Für ihn sind Nummern schlicht und einfach die Zahlen, die einem Spieler für die Dauer des Spieles zugewiesen werden. Der Entwickler ist hingegen schon bei der technischen Umsetzung: Er denkt an seine Datenbank - und wie dort ein Spieler anhand einer eindeutigen und dauerhaften ID identifiziert werden kann.

Gemeinsame Perspektiven durch offene Kommunikation

In Scrum geht es darum, Perspektiven auf einen Nenner zu bringen. Ein Product Owner hat zwangsläufig andere Interessen und auch ein anderes Produktverständnis als ein Entwickler. Das bedeutet aber nicht, dass beide aneinander vorbei reden müssen. Durch offene und mutige Kommunikation können sich beide Seiten ein Stück weit in die Rolle des anderen hinein versetzen - und sich auf dieser Grundlage ein gemeinsames Verständnis erarbeiten. Wenn der Entwickler aus unserem Theaterstück wüsste, dass der Auftraggeber unter Spielernummern etwas komplett anderes versteht als er selbst, könnten einige Missverständnisse erspart bleiben.

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Missverständnisse entstehen dann, wenn Aussagen ungeprüft übernommen werden. E-Mails und sonstige schriftliche Kommunikation sind ein herrlicher Nährboden für Missverständnisse. Deshalb ist es so wichtig, den Product Owner nicht als externen Zulieferer des Scrum-Teams zu verstehen, sondern ihn ganz bewusst in dessen Mitte zu platzieren. Wenn der Product Owner nicht nur am Anfang und Ende, sondern auch während des Sprints im Team ist, dann muss sich keiner zweimal überlegen, was denn eigentlich mit dieser einen Anforderung gewollt war - oder warum diese andere Story nicht besser in zwei Stories geteilt wird.

Fragen statt vermuten

Anstatt wild zu vermuten, was der Product Owner wohl mit seinen Stories gemeint hat, kann man einfach zu ihm gehen und fragen. Die Macht solcher informellen Kommunikationswege ("hast du mal eben Zeit?") kann man gar nicht hoch genug schätzen. Wer die Themen aus dem Tagesgeschäft sofort bespricht, kommt schneller auf die wesentlichen Punkte. Auch der Product Owner profitiert davon, wenn er mitten im Team lebt: Gut verstandene User Stories sind das A und O eines funktionierenden Product Backlogs. Kürzlich wurde meinem Team durch ein scheinbar nebensächliches Gespräch klar, dass eine hoch priorisierte Story in der damaligen Form nicht umsetzbar war.Die Rolle des Product Owners ist sicher keine einfache. Manchmal erschweren wir sie uns aber unnötig, indem wir etwa den Product Owner zum genialen und einsamen Visionär hochstilisieren. Dabei wird gerne vergessen, dass der Product Owner und sein Team auf ein und dasselbe Ziel hinarbeiten: erfolgreich zu liefern. Und das gelingt - wie so vieles im Leben - zusammen leichter als allein.Dr. Bernd Krehoff, Scrum Consultant bei bor!sgloger

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bgloger-redakteur
February 20, 2012

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